Montag, 26. Januar 2015

das oft unbeachtete Vorkaufsrecht

Manche Regelungen fristen ein Schattendasein, so wohl auch der § 577 BGB mit der Gewährung eines Vorkaufsrechtes zu Gunsten von Mietern. Das kann teure Folgen haben.

Eine Mieterin einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus streitet sich mit der Vermieterin darüber, ob vor oder nach Mietbeginn an den sieben Wohnungen des Hauses Wohnungseigentum begründet worden ist. Mit notariellem Kaufvertrag vom 17.05.2011 veräußerte die Vermieterin sämtliche Eigentumswohnungen zum Gesamtpreis von rund 1,3 Mio Euro an einen Dritten. Dieser wurde am 18.07.2011 als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.

Die Mieterin wurde von der Vermieterin weder vom Kaufvertragsabschluss unterrichtet noch auf ein Vorkaufsrecht hingewiesen.

Am 12.01.2012 bot der neue Eigentümer der Mieterin die von ihr bewohnte Wohnung zum Preis von 266.250 Euro zum Kauf an. Sie macht geltend, die ehemalige Vermieterin habe durch die unterlassene rechtzeitige Unterrichtung von dem Verkauf ihr gesetzliches Vorkaufsrecht vereitelt und sei daher zum Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verpflichtet. Bei Ausübung des Vorkaufsrechts hätte sie die Wohnung, die einen Verkehrswert von 266.250 Euro aufweise, zu einem Kaufpreis von (nur) 186.571 Euro – auf ihre Wohnung entfallender Anteil an dem gezahlten Gesamtkaufpreis – erwerben und dadurch einen Gewinn von 79.428,75 Euro erzielen können.

Das Amtsgericht hat die auf Zahlung dieses Betrags (nebst Zinsen) gerichtete Klage abgewiesen, die hiergegen gerichtete Berufung hat keinen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Schaden als nicht mehr vom Schutzzweck des § 577 BGB gedeckt angesehen. Die Differenz zwischen Verkehrswert und Kaufpreis sei nur ersatzfähig, wenn der Mieter sein Vorkaufsrecht ausgeübt habe und der Vermieter anschließend den dadurch zustande gekommenen Kaufvertrag nicht erfülle, sondern die Wohnung an den Drittkäufer übereigne. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

Der BGH (VIII ZR 51/14) hat entschieden, dass dem Mieter nicht nur in den vom Berufungsgericht angenommenen Fällen der Vereitelung eines bereits ausgeübten Vorkaufsrechts, sondern auch dann ein Anspruch auf Ersatz der Differenz zwischen dem Verkehrswert der Wohnung und dem mit dem Dritten vereinbarten Kaufpreis – abzüglich ersparter Kosten – als Erfüllungsschaden zustehen kann, wenn der Mieter infolge einer Verletzung der den Vermieter treffenden Mitteilungspflichten aus § 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 577 Abs. 2 BGB vom Inhalt des Kaufvertrags und seinem Vorkaufsrecht erst nach Übereignung der Wohnung an den Dritten Kenntnis erlangt und aus diesen Gründen von der Ausübung des Vorkaufsrechts absieht.

Die Mitteilung vom Eintritt des Vorkaufsfalls und die Belehrung über die Vorkaufsberechtigung sollen den Mieter nach Auffassung des BGH in die Lage versetzen, sein Vorkaufsrecht auszuüben und damit einen Anspruch auf Übereignung der Wohnung zu begründen. Erhält der Mieter diese Informationen erst zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kaufvertrag mit dem Drittkäufer schon abgewickelt worden ist, stehe zu vermuten, dass der Vermieter die nicht mehr in seinem Eigentum stehende Wohnung nicht an den Mieter übereignen kann. In einem solchen Fall sei vom Mieter nicht zu verlangen, dass er zunächst das Vorkaufsrecht ausübt, um hierdurch einen Kaufvertrag mit dem Vermieter zustande zu bringen, den dieser von vornherein nicht erfüllen kann. Vielmehr könne der Mieter dann unmittelbar Ersatz des Erfüllungsschadens – hier entgangener Gewinn – begehren, der ihm bei Ausübung des Vorkaufsrechts entstanden wäre.

Der Erstattungsfähigkeit eines solchen Schadens stehe – anders als vom Berufungsgericht angenommen – auch nicht ein eingeschränkter Schutzzweck des Vorkaufsrechts nach § 577 BGB entgegen. Denn der Gesetzgeber verfolgte mit dieser Regelung nicht nur die Absicht, den Mieter vor einer Verdrängung durch Drittkäufer zu schützen, sondern wollte ihm auch die Möglichkeit eröffnen, die Wohnung zu einem Kaufpreis zu erwerben, den auch ein Dritter zu zahlen bereit ist, und ihn damit an den von diesem ausgehandelten günstigen Konditionen teilhaben lassen.

Freitag, 23. Januar 2015

Stehpinkler verboten! - die Domestizierung des Mannes

Es passiert häufig, dass Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses der Auszahlung Ihrer Kaution hinterherklagen. Doch der Einwand des Vermieters, dass ihm Schadensersatzansprüche zustünden, weil der Mieter im Stehen die Toilettte nutzte, ist schon etwas aussergewöhnlich. Aber das gilt ja auch für die Wohnung.

Der Vermieter meinte, dass im Toilettenbereich der Marmorboden der Toilette durch Urinspritzer abgestumpft war und er deshalb hierfür Schadensersatz fordern könne. Ein Fachmann hatte die Urinspritzer als Ursache für die Abstumpfung ausgemacht. Dies sei nachvollziehbar und glaubwürdig, befand das Gericht. Dennoch habe der Vermieter kein Recht, die Kaution für die anstehende Reparatur einzubehalten. Urinieren im Stehen sei weit verbreitet, die Gefahren für Böden aber kaum bekannt. Der Vermieter hätte auf die Empfindlichkeit des Bodens hinweisen müssen.

Wörtlich heißt es in der Urteilsbegründung (AG Düsseldorf · Urteil vom 20. Januar 2015 · Az. 42 C10583/14):

«Trotz der in diesem Zusammenhang zunehmenden Domestizierung des Mannes ist das Urinieren im Stehen durchaus noch weit verbreitet. Jemand, der diesen früher herrschenden Brauch noch ausübt, muss zwar regelmäßig mit bisweilen erheblichen Auseinandersetzungen mit – insbesondere weiblichen – Mitbewohnern, nicht aber mit einer Verätzung des im Badezimmer oder Gäste-WC verlegten Marmorbodens rechnen.»