Manche Regelungen fristen ein Schattendasein, so wohl auch der § 577 BGB mit der Gewährung eines Vorkaufsrechtes zu Gunsten von Mietern. Das kann teure Folgen haben.
Eine Mieterin einer Wohnung in einem
Mehrfamilienhaus streitet sich mit der Vermieterin darüber, ob
vor oder nach Mietbeginn an den sieben Wohnungen des Hauses
Wohnungseigentum begründet worden ist. Mit notariellem Kaufvertrag vom
17.05.2011 veräußerte die Vermieterin sämtliche Eigentumswohnungen zum
Gesamtpreis von rund 1,3 Mio Euro an einen Dritten. Dieser wurde am
18.07.2011 als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.
Die
Mieterin wurde von der Vermieterin weder vom Kaufvertragsabschluss
unterrichtet noch auf ein Vorkaufsrecht hingewiesen.
Am 12.01.2012 bot der neue Eigentümer der Mieterin die von ihr
bewohnte Wohnung zum Preis von 266.250 Euro zum Kauf an. Sie macht
geltend, die ehemalige Vermieterin habe durch die unterlassene rechtzeitige
Unterrichtung von dem Verkauf ihr gesetzliches Vorkaufsrecht vereitelt
und sei daher zum Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens
verpflichtet. Bei Ausübung des Vorkaufsrechts hätte sie die Wohnung, die
einen Verkehrswert von 266.250 Euro aufweise, zu einem Kaufpreis von
(nur) 186.571 Euro – auf ihre Wohnung entfallender Anteil an dem
gezahlten Gesamtkaufpreis – erwerben und dadurch einen Gewinn von
79.428,75 Euro erzielen können.
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung
dieses Betrags (nebst Zinsen) gerichtete Klage abgewiesen, die hiergegen
gerichtete Berufung hat keinen Erfolg gehabt. Das
Berufungsgericht hat den geltend gemachten Schaden als nicht mehr vom
Schutzzweck des § 577 BGB gedeckt angesehen. Die Differenz zwischen
Verkehrswert und Kaufpreis sei nur ersatzfähig, wenn der Mieter sein
Vorkaufsrecht ausgeübt habe und der Vermieter anschließend den dadurch
zustande gekommenen Kaufvertrag nicht erfülle, sondern die Wohnung an
den Drittkäufer übereigne. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision
hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das
Berufungsgericht.
Der BGH (VIII ZR 51/14) hat entschieden, dass dem Mieter nicht nur in den vom
Berufungsgericht angenommenen Fällen der Vereitelung eines bereits
ausgeübten Vorkaufsrechts, sondern auch dann ein Anspruch auf Ersatz der
Differenz zwischen dem Verkehrswert der Wohnung und dem mit dem Dritten
vereinbarten Kaufpreis – abzüglich ersparter Kosten – als
Erfüllungsschaden zustehen kann, wenn der Mieter infolge einer
Verletzung der den Vermieter treffenden Mitteilungspflichten aus § 577
Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 577 Abs. 2 BGB vom Inhalt des
Kaufvertrags und seinem Vorkaufsrecht erst nach Übereignung der Wohnung
an den Dritten Kenntnis erlangt und aus diesen Gründen von der Ausübung
des Vorkaufsrechts absieht.
Die Mitteilung vom Eintritt des Vorkaufsfalls und die Belehrung
über die Vorkaufsberechtigung sollen den Mieter nach Auffassung des BGH
in die Lage versetzen, sein Vorkaufsrecht auszuüben und damit einen
Anspruch auf Übereignung der Wohnung zu begründen. Erhält der Mieter
diese Informationen erst zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kaufvertrag mit
dem Drittkäufer schon abgewickelt worden ist, stehe zu vermuten, dass
der Vermieter die nicht mehr in seinem Eigentum stehende Wohnung nicht
an den Mieter übereignen kann. In einem solchen Fall sei vom Mieter
nicht zu verlangen, dass er zunächst das Vorkaufsrecht ausübt, um
hierdurch einen Kaufvertrag mit dem Vermieter zustande zu bringen, den
dieser von vornherein nicht erfüllen kann. Vielmehr könne der Mieter
dann unmittelbar Ersatz des Erfüllungsschadens – hier entgangener Gewinn
– begehren, der ihm bei Ausübung des Vorkaufsrechts entstanden wäre.
Der Erstattungsfähigkeit eines solchen Schadens stehe – anders
als vom Berufungsgericht angenommen – auch nicht ein eingeschränkter
Schutzzweck des Vorkaufsrechts nach § 577 BGB entgegen. Denn der
Gesetzgeber verfolgte mit dieser Regelung nicht nur die Absicht, den
Mieter vor einer Verdrängung durch Drittkäufer zu schützen, sondern
wollte ihm auch die Möglichkeit eröffnen, die Wohnung zu einem Kaufpreis
zu erwerben, den auch ein Dritter zu zahlen bereit ist, und ihn damit
an den von diesem ausgehandelten günstigen Konditionen teilhaben lassen.
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