Der Bundesgerichtshof hat sich am 04.02.2015 mit der Frage befasst, unter welchen Umständen eine auf den
Eigenbedarf heranwachsender Kinder gestützte Eigenbedarfskündigung
unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs unwirksam ist.
Eine Mieterin bewohnt aufgrund eines mit dem Kläger am
14. April 2011 abgeschlossenen, unbefristeten Mietvertrags eine
Zweizimmerwohnung in Mannheim. Mit Schreiben vom 28. Februar 2013
kündigte der Vermieter das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zum 31. Mai
2013. Er führte an, seine 20 Jahre alte Tochter, die nach ihrem im Juni
2012 abgelegten Abitur ein Jahr in Australien verbracht habe, werde am
18. Juli 2013 nach Deutschland zurückkehren, danach eine Arbeitsstelle
in Frankfurt/Main antreten und ein berufsbegleitendes Studium in
Mannheim aufnehmen. Sie wolle nach ihrer Rückkehr eine eigene
abgeschlossene Wohnung beziehen. Vor ihrem Auslandsaufenthalt habe sie
ein Zimmer bei ihren Eltern bewohnt.
Die Mieterin widersprach der
Kündigung, weil der Eigenbedarf für den Vermieter bei Abschluss des
Mietvertrags vorhersehbar gewesen sei.
Die daraufhin vom Vermieter erhobenen Räumungsklage landete beim BGH.
Dieser entschied, dass die auf §
573 Abs. 2 Nr. 2 BGB gestützte Kündigung hier nicht wegen
Rechtsmissbrauchs unwirksam ist. Zwar liegt nach gefestigter
höchstrichterlicher Rechtsprechung ein widersprüchliches
rechtsmissbräuchliches Verhalten vor, wenn der Vermieter Wohnraum auf
unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder
zumindest erwägt, ihn alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen. Er darf in
diesen Fällen dem Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, die
mit jedem Umzug verbundenen Belastungen dann nicht zumuten, wenn er ihn
über die Absicht oder zumindest die Aussicht begrenzter Mietdauer nicht
aufklärt.
Kein Rechtsmissbrauch liegt dagegen vor, wenn das
künftige Entstehen eines Eigenbedarfs für den Vermieter zwar im Rahmen
einer "Bedarfsvorschau" erkennbar gewesen wäre, der Vermieter aber bei
Mietvertragsabschluss weder entschlossen gewesen ist, alsbald
Eigenbedarf geltend zu machen, noch ein solches Vorgehen erwogen, also
ernsthaft in Betracht gezogen hat. Denn bei verständiger und objektiver
Betrachtung bringt ein Vermieter dadurch, dass er dem Mieter einen
unbefristeten Mietvertrag anbietet und nicht von sich aus Angaben über
den Stand und die mögliche Entwicklung seiner familiären und
persönlichen Verhältnisse (etwa Heranwachsen von Kindern, drohende
Trennung von Familienangehörigen, Erkrankung, berufliche Veränderungen)
macht, regelmäßig nicht zum Ausdruck, dass er die Möglichkeit eines
alsbaldigen Eigenbedarfs unaufgefordert geprüft hat und nach derzeitigem
Erkenntnisstand ausschließen kann. Würde vom Vermieter bei Abschluss
eines Mietvertrags eine solche Lebensplanung verlangt werden,
würde dessen verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit missachtet, über
die Verwendung seines Eigentums innerhalb der gesetzlichen Grenzen frei
zu bestimmen.
Für die Beurteilung, ob der Vermieter entschlossen war, alsbald Eigenbedarf
geltend zu machen oder ein solches Vorgehen ernsthaft in Betracht
gezogen hat, darf nicht allein auf seine Darstellung
abgestellt werden. Vielmehr kommt es auf eine Würdigung der
Gesamtumstände an. Dabei kann auch auf objektive (äußere) Umstände
zurückgegriffen werden, sofern diese tragfähige Anhaltspunkte für den
Kenntnisstand des Vermieters bilden.
Dass den Vermieter keine Verpflichtung zu einer
"Bedarfsvorschau" trifft, stellt den Mieter nicht schutzlos. Will er das
Risiko künftiger Entwicklungen nicht auf sich nehmen, kann er für einen
gewissen Zeitraum einen beiderseitigen Ausschluss der ordentlichen
Kündigung oder einen einseitigen Ausschluss der Eigenbedarfskündigung
vereinbaren.
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